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Abstraktion in physikalischen Manifestationen von Computerspielen
(Packungen; Titelbilder; Werbe-Screenshots)

Ursprung: 28.01.2017 01:07


   Die den Spielinhalt darstellenden Bilder auf Retail Verpackungen, allgemeinen Verpackungen, Dokumentationen und Datenträgern überragten ihre beworbenen und angepriesenen Inhalte mit ihren Illustrationen vor allem in Zeiten, in denen eine größere Diskrepanz zwischen der Darstellungsmöglichkeit und -Qualität einer Software-modellierten Welt und eines gezeichneten oder anderweitig erstellten Bildes herrschte, beiweitem. Die potentiellen Konsumenten trafen beim ersten Kontakt mit dem Produkt auf dieses Zerrbild, welches von der tatsächlichen technischen Darstellungsqualität weit abwich. Hier ist zunächst vor allem an Produktexemplare alter Spielkonsolen zu denken (Spielkassetten und Retail Verpackungen der Konsolen GameBoy/Sega/Nintendo), aber auch Verpackungen und Datenträger aller weiteren Systeme.

   Dieses Zerrbild dient diversen legitimen Zwecken: [1] Es vermittelt durch seinen Stil und Inhalt ein Gefühl dafür, was den Spieler erwartet bzw. was der Softwarehersteller meint und will, dass es das tut; und korrespondiert mit seinem Softwareprodukt möglicherweise insofern, als es nur ansprechend für die Menschen wirkt, denen das Softwareprodukt selbst auch gefallen würde. [2] Dadurch findet ein sortierender Mechanismus statt, der einerseits Enttäuschungen vermeiden (...aber andererseits auch zu Hohe Erwartungen wecken) kann. [3] Das Abstraktionsgleichgewicht war in den Anfängen der Spieleindustrie so geartet, dass nicht die Illustrationen Abstraktionen des Spielinaltes waren, sondern eher anders herum: Durch die fehlende visuell-darstellerische Bildgewalt der Softwareprodukte wurde die Software mittels Illustration prägend mit konkreten/konkreteren Inhalten versehen und ihr Inhalt genauer definiert und erweitert - das gilt vor allem für ganz konkretes Aussehen von Spielfiguren (eventuell Lizenzprodukte & Schauspieler) und Farbgebungen (!) wesentlicher Objekte im Spielinhalt in einer ansonsten monochromen oder der Illustration anderweitig farblich und bildlich unterlegenen Darstellungsform. Es kann nun z.B. auch klar werden, dass bestimmte grafisch ungenügend definierte Objekte der Spielwelt wie/als weit komplexere Gegenstände behandelt werden sollen/müssen. [4] Triebe man es auf die Spitze, so könnte man durch diese Behauptung und Suggerierung von in der illustrierten Form ja tatsächlich nicht vorliegenden Spielinhalten das Spiel - in Teilen oder auch in wesentlichen Kerneigenschaften - auf beliebige, nur den Grenzen der [a] Illustration sowie [b] der Perzeption und Vorstellungskraft des Konsumenten unterliegenden Art erweitern; vor allem, wenn weitere, nicht dargestellte Inhalte von den vorliegenden Wenigen ableitbar sind (Beispiel: Bisherige Handlung und Entwicklung lässt klare Linie erkennen und auf Gegenwart und Zukunft von Produktinhalten schließen: Aussehen des Haupt-Spielobjektes in den letzten drei Teilen wird in Teil vier wo es vorkommt möglicherweise dasselbe sein, wenn die Illustration zur Darstellung von anderen Objekten und Begebenheiten genutzt wird und es auf Softwareebene gleich aussieht) und ggf. weitere (Standard-) Medien zur Ausschmückung eingesetzt werden. (Andere Illustrationen auf und in vorliegenden Handbüchern/Textdokumenten, Zusatzgegenstände. (z.B. Karten oder Musikkassetten)) Diese Art der Erweiterung ist auch auf Softwareebene möglich, wo diverse Mediendateien und anderweitig vorliegende Informationen zum Agglomerat des gesamten Softwareproduktes und -Erlebnisses beabsichtigt oder unbeabsichtigt beitragen. (zusätzlicher Content bzw. Goodies; Musikdateien und andere ungeschützt zugänglichen Engine-relevanten Medieninhalte zur Nutzung ohne das Hauptprodukt oder gewissermaßen zur Zelebrierung des Hauptproduktes ohne das Hauptprodukt; Typisch: Musik, Sounds, Texturen.)

   Wesentlich hier zu bemerken, dass es wie z.B. [1] beim Buch oder [2] dem Spiel eines Kleinkindes mit simplen Gegenständen darum geht, aus den vorliegenden Informationen (der Gegenstand gibt durch seine Physis Informationen an das Kind) nicht vorhandene oder sichtbare Komponenten über den Konsumenten selbst in das Produkt zu integrieren. (Denn [1] das Buch zeigt nur geordnete Anhäufungen von Buchstaben auf Papier und nicht die Bewegten Bilder und Geschichten dahinter (gleichwohl liegt das Rezept zum Erträumen des Inhaltes ja recht konkret in Schriftform vor); und [2] das Spielzeug kann sein reales Gegenstück möglicherweise nur andeuten, sofern das Kinderspiel Engagement sich nicht auf das Zelebrieren und Erkunden des Spielzeug-Gegenstandes an sich bezieht, sondern als Container und Katalysator für komplexere, erdachte Inhalte dient.)

   Die Illustrationen haben somit eine dauerhafte, starke erweiternde und damit also eine Wert-erhöhende Wirkung auf das Hauptprodukt, sofern sie Zusatzeigenschaften aufzeigen und definieren, die dem Konsumenten aufgrund seiner Erfahrung aus dem Leben oder aufgrund der Wahrnehmung des Hauptproduktes ansonsten verborgen blieben.

   Das Thema zeigt auch wieder, dass es bei Produkten nicht um die vollständige, detaillierte visuelle Ausgestaltung einer Spielewelt geht, weil der Konsument im Zweifelsfall fehlende Inhalte ergänzt. Vielmehr müssen Objekte und Mechanismen in der Engine ausreichend detailliert modelliert sein, um ein umfangreiches, dauerhaftes und konstantes Spieleerlebnis liefern zu können.
   Im Sinne der Limes Grenzwertannährung wäre ein extremes Beispiel eine blinde Person: Trotz der schlechten (hier: fehlenden) reinen Darstellungsebene ist die physikalische Welt hinter dieser Ebene in voll komplexer Form vorhanden und ermöglicht unabhängig von der Darstellung stets (zumindest theoretisch) weitreichende Handlungsmöglichkeiten zum komplexen Wirken auf und Integrieren in die Abläufe in der Raumzeit. Vergleich: Ein komplexes Spiel mit 3D Welt auf dem PC einschalten und den Monitor ausschalten: Die Welt an sich existiert und funktioniert unabhängig weiter auf dem Rechner. Die Interaktion zwischen Konsument und Spiel ist aber möglicherweise ad Absurdum geführt.
   Andersherum an den Grenzwert geführt existierte eine perfekte Darstellungsebene jedoch ohne darzustellende Inhalte, weil das Kernprodukt - die interne Spiel-Engine (Objekte, Terrain, Koordinaten, Regeln) - fehlt.